Die GRÜNE Gefahr?

Bündnis 90/Die Grünen vor dem Einzug in die nächste Bundesregierung (gar ins Kanzleramt) – ein Blick auf Positionen und Programmatik

Gruppenabend der DKP Düsseldorf 10. Juni 2021, Referent: Markell Mann, DKP Südbayern
(außenpolitischer Abschnitt zuvor veröffentlicht in UZ).

 

In aktuelle Meinungsumfragen liefern sich die Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Unionsparteien. Das sollten wir nicht überbewerten, schließlich vergehen noch ein paar Monate bis zur Wahl – in denen die Union ihren Regierungsbonus wieder sammeln kann – und außerdem zeigen die Umfragen teilweise auch andere „historische“ Trends – wie den teilweise 14-Prozent-Kurs der FDP … Aber die Ungenauigkeit der Festnetz-Telefon-basierten Meinungsumfrage ist ein anderes Thema. Wie auch immer: Baerbock wird als mögliche Kanzlerin gehandelt, die Monopolmedien überschlagen sich angesichts des farblosen Laschets vor Freude über den jungen und weiblichen Shootingstar der Grünen Partei. Kaum war die Kandidatur verkündet, saß „Anna Lena“ schon bei Pro7, um während der besten Sendezeit ein Interview zu geben, dessen kritische Fragen in Glückwünschen für den Wahlkampf und Applaus für „Anna Lena“ durch die Moderatoren gipfelten…

Was bei alldem keine Rolle spielt ist das Wesentliche: Wofür steht Anna Lena Baerbock und ihre Grüne Partei eigentlich noch? Demnächst will die Partei ihr Wahlprogramm beschließen und bisher gab es eigentlich keine nennenswerten Kontroversen. Erstaunlich ist aber, wie wenig bei der Öko-Partei über Umweltthemen gestritten wird – obwohl ja ein Wahlprogramm zur Debatte steht. Es scheint, als hätte einen Großteil der Partei – leider inklusive ihrer Basis – mittlerweile erfasst, wofür vor zwei Jahren noch Führungskader wie Baerbock standen. Nach ihrer Rede auf dem BDI-Kongress (Bund der Deutschen Industrie – Abschlussrede!) vor zwei Jahren schrieb die Deutsche Welle: „Wer erwartet hätte, dass sich die grüne Parteivorsitzende Baerbock vor allem der Klimapolitik widmen würde, der wurde überrascht. Stattdessen ging es bei ihr maßgeblich um die Auseinandersetzung mit China und den USA und die Zukunft des europäischen Binnenmarkts“.

Und damit sind wir auch schon beim Hauptthema. Baerbock sagte vor zwei Jahren beim BDI an das Publikum gerichtet: „Ich drohe nicht mit neuen Grenzwerten … sondern will die Standorte der Industrie in Europa gemeinsam sichern.“ Schauen wir uns anhand des Wahlprogramm-Entwurfs also an, wie sie das machen wollen…

Mit Stichworten wie „fairer und nachhaltiger Handel“ und „gerechte Weltwirtschaftsordnung“ wird eine deutsche Vision für die internationale Ordnung gezeichnet, die die einst aus der westdeutschen Friedensbewegung hervorgegangene Partei als regierungsfähig ausweisen soll und sich dafür in die transatlantische Strategie bundesdeutscher Außenpolitik einreiht. Gerade die Debatte im BDI zeigen, dass der ökonomische Aufstieg der Volksrepublik China und die US-Politik des Handelskrieges gegen Peking das deutsche Kapital nicht nur in eine Zwickmühle bringt, sondern so oder so wieder enger an Washington bindet. Aus Sicht unserer Herrschenden geht es um alles oder nichts: Werden die USA
als globale Hauptmacht abgelöst, kann dies eine Kettenreaktion für die von ihnen abhängigen imperialistischen Player bedeuten. Vor diesem Hintergrund wird der Druck aus Washington, sich klarer gegen China zu positionieren diskutiert und abgewogen.

In dieser Auseinandersetzung setzen die Grünen erstaunliche Duftmarken. Wie keine andere Partei z.B. engagiert sie sich gegen China und Russland und für eine Vertiefung der transatlantischen Bande. Beachten wir die Interessenskonflikte innerhalb der Unionsfraktion, so können wir feststellen, dass sich die Grünen zu konsequentesten Vertreter der NATO-Strategien gemacht haben.

Männe Grüß aus Brandenburg weißt zurecht darauf hin, dass es z.B. im Bundestag „keine andere Partei [gibt], die derart geschlossen, umfassend und nachdrücklich darauf orientiert, Nord Stream 2 zu stoppen. Im Vergleich dazu sind z.B. Union und SPD tunlichst darauf bedacht, trotz aller transatlantischen Treue, an Nord Stream 2 festzuhalten … Ähnlich ist die Geschlossenheit auch bei den Russland-Sanktionen: Selbst in der Union gibt es nicht unbedeutende Stimmen wie den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer, der sich in der Vergangenheit für die Aufhebung von Russland-Sanktionen aussprach. Eine solches Meinungsspektrum wird bei den Grünen NATO-Falken nicht geduldet.“

Was ist von einer grünen deutsch-europäischen Außenpolitik zu erwarten? Der Grüne Bundesvorstand möchte angesichts des festgestellten „Systemwettbewerbs zwischen demokratischen Staaten und China (…) die Beziehungen mit unseren Partnern im Einsatz für Demokratie und Freiheit stärken“ heißt es im Wahlprogramm-Entwurf (S. 42). Dahinter steckt die auch vom BDI bereits im Januar 2019 propagierten Formel vom systemischen Wettbewerber. Dieser Systemwettbewerb wurde vom Industriekapitalistenverband bereits vor der o.g. Rede von Baerbock ausgerufen und durch vier Merkmale der chinesischen Wirtschaft begründet. Das ökonomische Betriebssystem des systemischen Konkurrenten unterscheide sich durch: 1. Führung durch die KP Chinas, 2. staatliche Wirtschaftseingriffe, 3. aktive Industrie- und Technologiepolitik sowie 4. Benachteiligung ausländischer Investoren.

Darauf aufbauend fordern die Grünen unter der Überschrift „Aktive Außenwirtschaftspolitik und fairer Wettbewerb“ nun in ihrem Wahlprogramm-Entwurf: „Die Anti-Dumping-Regeln müssen noch stärker als bisher auch bei Dumping durch niedrige ökologische und soziale Standards anwendbar sein“ (ebenda). Das ist deckungsgleich mit der BDI-Linie, nach der im Kampf gegen die VR China mehr auf mangelnde Umweltschutz-Standards usw. hingewiesen werden soll.

In allen Reden und Publikationen wird die deutsche Außenpolitik mit der EU zusammen gedacht. In der aktuellen Ausgabe unserer Münchner Betriebszeitung AufDraht machen wir auf einige Forderungen aufmerksam, die sowohl der SIEMENS-Mann Joe Kaeser fordert, als auch der Programm-Entwurf der Grünen. Wenn Kaeser davon spricht, „die wirtschaftliche Welt neu zu ordnen“, bieten die Grünen den Herrschenden passgenau an: „Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen selbst mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen“.

Zur Neuordnung der Welt gehört nach Kaeser auch, dass „die EU auf Augenhöhe an einem Tisch mit Amerika und China sitzen. Dafür brauchen wir eine gemeinsame europäische Außenwirtschaftspolitik, die dann später mit einer gemeinsamen Sicherheitspolitik ergänzt werden könnte“. Da drängt sich nun eine smarte junge Frau und Kanzlerkandidatin vor und dient sich an: „Das wichtigste ist, den Druck auf Russland zu erhöhen“ und, vorsichtiger, „China mit Dialog und Härte entgegentreten“ (Die Welt, 25. April 2021)

Auch der Entwurf des Wahlprogramms spricht diese Sprache: „Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik (…) Das schließt eine Verständigung über den Umgang mit autoritären Staaten wie China und Russland mit ein.“ (S. 12). Damit befinden sich die Grünen auf einer Linie mit der schwarz-roten Bundesregierung. Doch machen sie den Strategen deutscher Souveränität ein Angebot zur Änderung des innerimperialistischen Kräfteverhältnisses:

Während sich Russland und China angesichts der Konfrontation gegen ihre Länder langfristig für einen Ausschluss aus dem Dollar-dominierten internationalen Zahlungssystem vorbereiten, bereiten sich die Grünen schon auf eine Regierungszeit vor, in der der deutsche Platz an der Sonne schon in der Konkurrenz verschiedener Währungssysteme ausgetragen werden könnte.

Im Entwurf für das Wahlprogramm heißt es: „Wir wollen, dass sich der Euro zu einer glaubwürdigen, internationalen Leitwährung entwickelt, damit Europa seine Souveränität bewahrt und ausbaut. (…) Der Euro ist ein wesentlicher Baustein einer umfassenden Strategie, die europäische Werte auf der globalen Ebene stärkt und durchsetzt.“ (S. 47).

Doch für eine solche Euro-Politik braucht es eine geeinte EU: „Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik (…) können wir uns nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle etwa für mehr Steuergerechtigkeit oder mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt übernehmen können. Darum setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des Europäischen Parlaments einzuführen“ (S. 113).

Siemens-Kaeser im Handelsblatt vom 21.01.: „Aus meiner Sicht ist die Einstimmigkeit, mit der in Brüssel viele Entscheidungen getroffen werden müssen, ein Designfehler der EU.“ Die bisherigen EU-Reformen im Sinne von qualifizierten Mehrheiten haben bisher gezeigt, dass sich die Großen im Staatenbund selber übervorteilen und deshalb in EU-Europa „wieder Deutsch gesprochen“ wird.

Soweit lässt sich feststellen, dass die Führung der Grünen Partei keine anderen Vorstellungen hat, als Teile des Monopolkapitals. Doch gibt es Gründe, die Grünen als aggressivste politische Formation im Bezug auf deutsche Außenpolitik einzuschätzen – als Falken sozusagen:

Die aktuelle Vorsitzende der Böll-Stiftung Ellen Ueberschär zeichnete im Januar zusammen mit Köpfen vom German Marshall Fund oder der Bundesakademie für Sicherheitspolitik einen Aufruf, welcher sich für eine neue Übereinkunft der deutschen Bundesregierung mit der Biden-Präsidentschaft stark macht, u.a. um „im Indo-Pazifik die Interessen der liberalen Demokratien zu schützen“.

Diese Linie verwundert nicht, hat doch schon ihr Vorgänger Ralf Fücks, ehem. KBW, bis 2017 Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung in seinem Buch „Freiheit verteidigen. Wie wir den Kampf um die offene Gesellschaft gewinnen“ geschrieben: „Länder wie Russland, China … sind autoritäre Systeme …, die mit wachsendem Selbstbewusstsein als Alternative zum Westen auftreten“. Mittlerweile betreibt Fücks mit Ehefrau Marie-Luise Beck das „Zentrum liberale Moderne“. (zit. Nach P. Graubner)

Robert Habeck sprach letztes Jahr ähnlich über seine „progressive vision for the future of Europe“. In seiner nur auf englisch dokumentierten Rede vor der ältesten US-amerikanischen Jesuiten-Universität, der Georgetown in Washington, erklärte er: „Mit dem Aufstieg Chinas, Indiens und anderer Schwellen- und Entwicklungsländer verliert die transatlantische Welt ihr relatives Gewicht und ihren Einfluss. … Gleichzeitig werden sie zunehmend von politischen Kräften in unseren eigenen Gesellschaften in Frage gestellt.“

Wie dieses von Habeck erwähnte transatlantische Gewicht in der Welt unterstreichen? Über die US-amerikanische „nukleare Schutzzusage“ fordert das Papier, welches Ueberschär und Patrick Keller, Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, im Berliner Tagesspiegel präsentieren durften, dass „Deutschland [diese] durch die Nukleare Teilhabe unterstützen sollte, solange es Nuklearwaffenstaaten außerhalb der Nato gibt“.

Im Windschatten des großen Bruders geht es um die außenpolitischen Ambitionen des deutschen Imperialismus – atomar bewaffnet an der Seite Washingtons: „Europa muss politisch und militärisch handlungsfähig sein. Nicht, um Amerika loszuwerden (wie es bisweilen in der Rede von ‚strategischer Autonomie/Souveränität Europas‘ mitschwingt), sondern im Gegenteil, um Amerika in Europa zu halten – mit allen Vorteilen, die das für die politische Stabilität des Kontinents und damit für Deutschland bringt“ (ebenda).

Das so etwas von der Vorsitzenden der Grünen Böll-Stiftung miterarbeitet und propagiert wird, ist kein Wunder, veröffentlicht die Studie doch auch Impulspapiere, die Untertitel tragen wie: „Die Grünen sollten Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht von einem VN-Mandat abhängig machen“.

An dem zitierten Böll-Impulspapier mitgearbeitet hat u.a. Tobias Bunde, der sonst als „Director of Research & Policy der Münchner Sicherheitskonferenz“ unterwegs ist. Nicht die einzige personelle und institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Kriegsstrategen um Wolfgang Ischinger und der Grünen-Stiftung, die hier den Namen Heinrich Bölls missbraucht.

Im vorliegenden Entwurf für ein Grünes Wahlprogramm heißt es zur transatlantischen Kriegspolitik:

„Wir brauchen eine strategische Neuaufstellung der NATO, eine gemeinsame Bedrohungsanalyse und darauf aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten. Das willkürliche NATO-2-Prozent-Ziel, das vor fast 20 Jahren verabschiedet wurde, gibt darauf keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein, die nicht abstrakt und statisch ist, sondern von den Aufgaben ausgeht, und werden mit den NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen.“ (Seite 134).

Weiterhin heißt es zur europäischen Rüstung: „Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. (…) Dafür ist eine geeignete Ausstattung, der Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-Kommandostruktur nötig“ (ebenda).

Ausstattung und Kommandostruktur sind konkret Vorbereitung für Kampfeinsätze. Das Wahlprogramm bringt das eine Seite vorher auf den Punkt: „Wir wollen die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher ausstatten. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen, ist nicht hinnehmbar. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können“. Das kann nichts Gutes heißen…

Woher kommt das, worum geht es? Um die Zwänge des deutschen Imperialismus, sich an der Seite der USA einen eigenständigen Platz zu sichern, und digitale Souveränität gegenüber den US-Riesen zu erlangen und mit der technologischen Konkurrenz aus China umgehen zu können, erfordert einen Umbau der deutschen Industrie – Der mehrfach erwähnte Siemens-Konzern z.B. zieht sich seit Jahren aus immer mehr Teilen des produzierenden Gewerbes raus. Hier geht es also um die schleichende Dekarbonisierung, die nun sozial-ökologie Transformation genannt wird. System-Change im Sinne einer Vision eines neuen, grünen – aber immer noch marktwirtschaftlich gesteuerten
Betriebssystems.

So erklärt sich dann auch das Verhältnis von Außenpolitik zu klassischen sozialen Themen bei den Grünen, denn die Vision zielt ab auf einen deutschen Platz in der Sonne. Vor dem Hintergrund erscheint es nur konsequent, dass die Grünen in Berlin gegen die Besorgung von russischen Corona-Impfstoff gestimmt haben, weil dort ein Herr Nawalny im Knast sitzt. Hätte aber eh nichts gebracht, EU tickt ja genau so und hat Sputnik V ja nicht freigegeben.

Besonders ist jedoch die Offenheit mit der die Grüne Parteispitze dieses Ausspielen von einem angeblich nationalen (außenpolitischen) Interesse gegenüber den sozialen Interessen der (arbeitenden) Bevölkerung betreibt. Diese Offenheit wird ermöglicht durch kluge Rhetorik.

Hören wir uns den bei Deutschen Kleinbürger oder ukrainischen Rechten beliebten Robert Habeck an (längeres Zitat): „Natürlich sind Diplomatie und wirtschaftliche Initiativen manchmal nicht genug. Das haben wir bei den schrecklichen Kriegen und Gräueltaten im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren erlebt. Wir Grüne haben damals mitentschieden, militärisch zu intervenieren und zum ersten
Mal seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten ins Ausland zu schicken. Militärische Fähigkeiten sind für die EU von entscheidender Bedeutung, um im Ausland im Falle dringender humanitärer oder sicherheitspolitischer Krisen handeln zu können und um unseren Kontinent zu Hause zu verteidigen. Wir geben derzeit drei- bis viermal so viel Geld für die Verteidigung aus wie Russland, doch ein großer Teil dieses Geldes wird verschwendet. Wir müssen das ‚pooling and sharing‘ (die gemeinsame Nutzung militärischer Infrastruktur und Geräte, Anm. d. Verf.) innerhalb der EU viel ernster nehmen, die Fähigkeiten aufbauen, die wir brauchen, und PESCO und den Europäischen Verteidigungsfonds als erste Schritte einer verstärkten europäischen Militärkooperation nutzen. Wir haben in der EU 35 verschiedene Typen von Panzern, fast 20 Typen von Kampfflugzeugen und mehr als 10 Typen von Tankflugzeugen. In diese diffuse Infrastruktur zu investieren, ist ineffektiv. Wie wir zu einer besseren Zusammenarbeit kommen und die Fähigkeiten entwickeln können, die wir brauchen, ist die
Diskussion, die wir führen sollten, anstatt uns nur auf eine zufällige Zahl zu konzentrieren, die mit unserem schwankenden BIP zusammenhängt. (…) Wir Deutschen haben in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung. Die Lehren, die wir aus unserer Geschichte gezogen haben, zwingen uns erstens, in Partnerschaften und Allianzen zu denken, global und innerhalb der EU. Die Zukunft
Deutschlands liegt darin, auf die europäische Einigung hinzuarbeiten. Dazu gehört die Übertragung weiterer Souveränitätsrechte, die Kompetenz in Steuerfragen, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und am Ende die Schaffung einer föderalen europäischen Republik.“

Im Grunde steckt alles in diesem Zitat, welches aus einer Rede von Habeck an der Georgetown-Uni in Washington stammt. Vielleicht war Habeck hier doch einen Tick zu offen und ehrlich, denn bis heute wurde keine deutsche Übersetzung veröffentlicht…

Vom EU-Nationalismus zum Menschenrechtsimperialismus – bei den Grünen eine jahrelange Entwicklung: Deutschland raus aus der NATO und eine Halbierung der Truppenstärke der Bundeswehr bis hin zu ihrer Auflösung – das waren einmal Forderungen, mit denen die Grünen sich für eine bessere Welt stark machten. Je mehr die Partei und ihre Funktionäre jedoch in die politischen Entscheidungen der bundesdeutschen Politik einbezogen wurden, desto mehr entfernte sie sich von friedenspolitischen Positionen.

Seit der Übernahme von „Regierungsverantwortung“ haben grüne Spitzenpolitiker einen „Realo“-Kurs in der Frage von Krieg und Frieden durchgesetzt, der eben den Interessen deutscher Außenpolitik entspricht; in einem Deutschland, in dem das große Kapital bestimmt. So schuf die erste rot-grüne Bundesregierung zum Beispiel eine Stelle, die dem Außenminister Vorschläge zur Gestaltung der deutschen Politik macht, den sogenannten Menschenrechtsbeauftragten. Der Grüne Gerd Poppe war der erste und setzte sich Ende der 90er-Jahre für die Osterweiterung des NATO-Kriegsbündnisses ein, welches die Spannungen auf dem europäischen Kontinent bis heute gefährlich zuspitzt.

Kurz darauf trommelte die Grünen-Spitze für eine deutsche Beteiligung am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien, auch hier war es eine Mischung aus Regierungsverantwortung und Menschenrechtsheuchelei, mit der in der Öffentlichkeit und auf Parteiveranstaltungen Mehrheiten für diese staatstragende Regierungspolitik erwirkt wurden. Auch der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan wäre ohne diese Legitimationserzählung nicht so leicht durchsetzbar gewesen. Obwohl auch in diesem Fall viel von Menschenrechten, Brunnenbauen und Schulbesuchen die Rede war, brachte der erste grüne Außenminister Josef Fischer nach den Anschlägen vom 11. September 2001
auf den Punkt, was heute Programm ist: Die Zeiten hätten sich geändert und man käme „um den Faktor Militär nicht herum“.

Gut, jetzt haben wir viel aus der Führung gehört, massives Anbiedern an sogenannte Regierungsfähigkeit und und… Aber, wie sieht grüne Realpolitik in der Frage Krieg und Frieden aus?

In den letzten Jahren saß die Grüne-Bundestagsfraktion auf der Oppositionsbank und konnte sich erlauben, ab und an von der Regierungslinie abzuweichen. So stimmten die Abgeordneten der Fraktion zu den laufenden Bundeswehreinsätzen nicht einheitlich ab. Begründet wird das uneinheitliche Abstimmen mit der Gewissensentscheidung der Abgeordneten. Die Fraktion schreibt auf ihrer Website dazu:

„Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen haben.“ Dieses Problem ergibt sich für die Grünen-Abgeordneten dadurch, dass sie ihre grundsätzliche Anti-Kriegs-Haltung schon lange verlassen haben und schon in den 90er-Jahren durchgemacht haben, was aktuell der Partei „Die Linke“ droht. Passend zum Chor über Menschenrechte, Demokratie und Freiheit heißt es ei den Grünen unisono: „Die Europäische Union ist eine Friedensmacht.“ Doch weil sich das Grundsatzprogramm von 2002 und die sechs Jahre später erarbeiteten Kriterien zur Zustimmung zu Bundeswehreinsätzen noch darauf berufen, dass mindestens ein UN-Mandat vorliegen muss, haben sich die meisten Grünen-Abgeordneten dann enthalten, als es um die EU-Einsätze in Mali und im Mittelmeer ging. Wer sich enthält, stimmt jedoch nicht dagegen und blockiert auch keine Mehrheiten.

Blockaden brechen will Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt auf internationaler Ebene: Mit einer Reform der Vereinten Nationen, wie sie von deutschen Außenpolitikern schon länger gefordert wird, denn „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Mandat der Vereinten Nationen blockiert werden kann“. Wenn es schon kein UN-Mandat für die Interessen der „freien“ transatlantischen „Wertegemeinschaft“ gibt, dann soll eben eines geschaffen werden. Und in der grünen Böll-Stiftung wird anhand eines Thesenpapiers schon über die Perspektive der Grünen in einer möglichen Neuauflage ihrer Regierungsverantwortung spekuliert: Über „grüne“ Argumente für Armee-Einsätze ohne UN-Mandat. Ergänzend muss dazu gesagt werden, dass es mittlerweile auch ein gegenteiliges Papier aus der Heinrich-Böll-Stiftung gibt – es ist aber auch nicht so als dass das Pro-Papier zurückgezogen wurden oder gar für Aufregung gesorgt hätte…

Im Entwurf fürs Grundsatzprogramm wird auch schon die geübte Argumentation genutzt: „Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völkerrecht schädigt wie Handeln.“ Dass es aber, wie immer in der Kriegspolitik, um die Interessen des deutschen Kapitals und seine militärischen Möglichkeiten zur Fortsetzung seiner Politik geht, macht Franziska Brandtner aus der Fraktion klar, wenn sie zum Beispiel über die US-Regierung unter Trump urteilt, diese hätte die Bundesrepublik wie einen „Vasall, wenn nicht als Rivale“ behandelt.

Dieses Problem werde auch mit einem neuen US-Präsidenten nicht gelöst, laut Brandtner lautet die Gretchenfrage vielmehr: „Werden wir Europa und damit uns selbst eine eigenständige, widerstandsfähige und strategisch souveräne weltpolitische Rolle zutrauen?“ Mit dieser Linie bieten sich die Grünen den Herrschenden an. Als Alternative für ein außenpolitisch aggressiveres Deutschland im Rahmen einer militarisierten EU, dabei selbstbewusst an der Seite der USA gegen die Systemkonkurrenz aus China. So heißt es im Entwurf für ihr Bundestags-Wahlprogramm auf Seite 116: „Der Systemwettbewerb mit autoritären Staaten und Diktaturen ist real, lässt bisweilen nur die Wahl zwischen Regen oder Traufe – und stellt uns vor derart beachtliche Aufgaben, dass jede Form des Alleingangs zum Scheitern verurteilt wäre.“

An diesen Positionen in der Außenpolitik ist klar, dass sich hier schon längst vollzogen hat, was bei der Linkspartei gerade noch in den Kinderschuhen steckt: Nämlich das Umdrehen auf die sogenannte „Regierungsfähigkeit“. Joe Kaeser hat die Grünen im Januar noch offen zur Regierungsfähigkeit ermahnt – Das ist geglückt, kürzlich meinte er, er überlege nun bei ihnen einzutreten und er macht Werbung für Baerbock. Hier gibt es einen Unterschied zur letzten Bundestagswahl. Damals gingen die Grünen mit dem Team Göring-Eckert und Özdemir ins Rennen und finden erst im Spätsommer und vor allem nach der Wahl an, sich dem herrschenden Block bedingungslos anzubieten.

Wie sah das denn nach der Bundestagwahl 2017 aus? Mit Perfektion hatten die Grünen all ihre eigenen „Inhalte“ über Bord geworfen.: Die Ökopartei hatte in den Jamaika-Koalitionsverhandlungen sofort ihr zentrales Klimaziel der Abschaltung der Kohlekraftwerke fallen gelassen. Die Partei mit dem Slogan RefugeesWelcome wollte damals eine Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten mit einführen, und stellte dafür nur eine Bedingung an CSU-Seehofer: Die Obergrenze müsse stattdessen „atmender Rahmen“ heißt. Die magische Zahl von 200.000 Menschen stand nicht zur Debatte… Die Grüne Jugend verniedlicht in ihrer Kritik das Ganze auch noch als „Obergrenze light“, was am
„atmenden Rahmen“ von 200.000 aber „light“ sein soll, hab ich immer noch nicht verstanden. Naja: Als sich abzeichnete dass aus Jamaika nichts wird, appellierte Parteichef Cem Özdemir an die anderen Parteivertreter und den „Patriotismus für das Land“. Einen „großen Kompromiss, der das Land geeint hätte“ bedauert auch der damalige Parteichef Hofreiter und Teile der Grünen fordern schon eine Minderheitsregierung, um mit aller Macht an die Regierung zu kommen.

Und auch wenn ich an die letzte Bayerische Landtagswahl erinnere, staunte ich (und viele Mitstreiter) nicht schlecht, als die bayerische Grünen-Chefin Katha Schultze – übrigens für eine Landespolitikerin auch erstaunlich transatlantisch vernetzt – staunte ich auf jeden Fall nicht schlecht, als eben diese Schultze, mit der wir zusammen noch im Sommer Massenproteste gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz organisierten auf einmal in den Medien verkündete, dass sie sich eine Landesregierung zwischen CSU und Grünen gut vorstellen könne und sie dabei gerne Innenministerin werden wolle…

Überhaupt sind es nicht nur die staatstragenden Positionen, die mich immer wieder staunen lassen. Nachdem die bayerischen Grünen noch das erfolgreichste Volksbegehren bei uns mitgetragen haben, das übrigens in einigen Teilen dem alten Agrarprogramm der DKP ähnelt… also in dem Vorschläge zur Stärkung bäuerlicher Landwirtschaft (wir haben hier noch viele Kleinbauern, das gibt’s sonst nicht mehr) und damit auch zum Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität gemacht wurden – nachdem sie das damals noch mitgetragen haben, ist es auch hier seitdem ruhig geworden. Während der Bayer.Bauernbund-Präsident, der traditionell eher der CSU nahesteht, öffentlich darüber meckert, dass Finanzierungen zur Umsetzung dieser Maßnahmen, die beschlossen wurden, einfach nicht ausgezahlt werden sagt die größte  Landtagsopposition bei uns – die Grünen – dazu nichts…

Stattdessen scheint heute die einig hörbare umweltpolitische Forderung dieselbe zu sein, wie sie auch die anderen politischen Parteien des Großkapitals formuliert haben: Eine CO2-Massensteuer.

Beate Landefeld macht in der neuen UZ-Ausgabe nochmal darauf aufmerksam, dass die große Koalition dieses Vorhaben gemeinsam mit den Grünen beschlossen hatten. Entgegen dem Geschrei von der „Verbotspartei“ setzen die Grünen hier auf neoliberale Steuerungsinstrumente anstatt auf gesetzliche Verbote oder staatliche Interventionen. Beate: „Das ist auch die Linie der FDP, die nur wegen immanenter Kritik gegen das BEHG stimmte, ansonsten aber die lauteste Gegnerin jeglicher Eingriffe des Staates in die „Freiheit“ des privaten Unternehmertums ist. … Die Klimapolitik der vier neoliberalen, miteinander ‚regierungsfähigen‘ Bundestagsparteien tut dem Großkapital nicht weh, verfehlt die selbstproklamierten Klimaziele und belastet die Massen spürbar.“ (UZ von morgen).

Selbst aus der Perspektive gut-verdienender Umweltfreunde stellt sich hier die Frage, ob diese Steuerungsinstrumente sich bewährt haben. Schließlich ist die Idee des Umweltschutzes durch Marktsteuerung nichts neues und spätestens seit dem „Clean Air Act“ von Georg Bush Sen. aus dem Jahr 1990 Standard in der US-Gesetzgebung… Doch die Realität zeigt, dass sich nichts getan hat und auch die G7 werden sich ab Montag für die Öffentlichkeit wohl damit auseinandersetzen müssen, dass sie am 1,5-%-Ziel gescheitert sind. Aus umweltpolitischer Sicht ist wichtig hervorzuheben dass es hier sozusagen „nur“ um die Reduktion des CO2-Ausstoßes geht, aber spätestens bei Problemen der Biodiversität können auch in der trockenen Theorie Idee der Bepreisung der Natur nicht überzeugen…

So oder so rückt diese Bepreisungs-Debatte außerdem andere Hebel, wie den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in den Hintergrund. Soweit dass darüber kaum noch geredet wird: Der Münchner Stadtrat hat diese Woche u.a. auf Antrag von Linkspartei und CSU über die Einführung eines 365-EUR-Jahresticket für das Öffi-Netz beraten, nach Wiener Vorbild. Und die Stadtratsmehrheit aus Grünen und SPD hat das – mit der Argumentation, das müsse das Land eben bezahlen – abgelehnt. Das ist übrigens die gleiche grüne Stadtratsmehrheit, die die politische Verantwortung dafür trägt, dass heute früh im Forst Kasten in München-Neuried geräumt wurde: Dort hatten Klimaaktivisten zwei Bäume besetzt, um die Rodung von zehn Hektar Wald zugunsten einer Kiesgrube zu verhindern. Das betroffene  Waldstück ist bisher ein Naturschutzgebiet…

Verwunderlich ist dieses Verhalten jedoch nicht, wir kennen den Umgang mit Stuttgart 21, die Rodung des Hambacher Waldes oder aktuell das Austrocknen-Lassen des Jägersburger-Gernsheimer Waldes in Hessen. Erst vor wenigen Wochen machte der BUND nochmal darauf aufmerksam, dass im dort über 1.300 Hektar austrocknen und die grüne Umweltministerin den längt erreichten Beschluss nicht umsetzt, nachdem der Grundwasserspiegel wieder anzuheben ist, sodass mindestens die Baumwurzeln ran reichen. All diese realpolitischen Entscheidungen haben – nicht im gleichen Maße wie die Industriepolitik der GroKo usw. – aber haben eben auch ihren Anteil daran, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht erfüllt werden.

So wie an der Partei also noch aus alten Tagen das Label „Umwelt“ hängt, so verbinden manche die Grünen sogar mit sozialen Inhalten… Das liegt sicherlich an der klugen Rhetorik, an ihrem „Wording“: So wird z.B. dem deutschen Niedriglohnsektor, welcher der größte in Europa ist, im Wahlprogramm-Entwurf eine wie auch immer geartete „sozial gerechte Arbeitspolitik“ entgegengestellt. Dass sich mit der vorgeschlagenen Erhöhung des Mindestlohns wirklich etwas ändert für die Wanderarbeiter beim Fleischfabrikanten Tönnies zum Beispiel kann bezweifelt werden. Vorgeblich ändern soll sich mit den von den Grünen viel stärker propagierten Maßnahmen, wie dem Lieferkettengesetz, aber etwas für Wanderarbeiter in China…

Ich muss sagen, dass ich die ganzen Sozialforderungen der Grünen nicht so spannend finde… Wie schon der DM-Chef und der mehrfach erwähnte Joe Kaeser fordern die Grünen als erste Bundestagspartei in ihrem neuen Programm ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE). Hier könnten wir als Marxisten einiges entgegen halten, angefangen bei der Frage, welche Auswirkungen ein BGE auf den Lohn hat, wenn doch die Reproduktionskosten schon gesichert sind… Realpolitisch lässt sich hier jedoch beobachten, was auch der Kipping-Flügel in der Linkspartei schafft: Durch Propagierung von BGE usw. auf konkrete sozialpolitische und steuerpolitische Forderungen zu verzichten…

In der Einladung für heute wurde auf „fortschrittliche Elemente“ in ihrer Wohnungspolitik verwiesen: Hier ist die Position der Bundestagsfraktion, dass sie günstige Wohnungen bauen lassen wollen. Aber von wem? Vom Markt! Dafür fordern sie ein  Investitionsprogramm für 1 Millionen Wohnungen und dazu eine gesetzliche Mietpreisbremse… Klingt erstmal ganz gut, auch wenn das die Sache mit dem Eigentum an Grund und Boden fehlt… Gut, was will man erwarten von den Grünen, aber: Zusätzlich auch hier wieder neoliberale, also ordoliberale, marktwirtschaftliche Orientierung: Finanzielle Anreize für Bauunternehmer anstatt Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand! Das Ganze nennen sie „Neue Wohngemeinnützigkeit“: Neben finanzieller Förderung sollen für diese Bauunternehmer „zudem die Grunderwerbssteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Grundsteuer und Umsatzsteuer.“

Wir haben jetzt viel über die neoliberalen Positionen der Grünen gehört, ich denke das reicht. Nur was heißt das nun für uns? Müssen wir davon ausgehen, dass die Grüne Partei die reaktionärste Kraft darstellt, gegen die sich der Hauptstoß unserer antimonopolistischen Agitation richten muss? Doch was für Knoten im Massenbewusstsein müssen wir dann lösen, wenn sie – wie in München – die meisten Wähler:innen mobilisieren, auch im Bundestrend seit Jahren die meisten Jung-Wähler:innen unter 30 Jahren mobilisieren (Ausnahme AfD, z.B. in Brandenburg beide gleichauf). Was für Knoten im Bewusstsein der Parteimitgliedschaft müssen gelöst werden, wenn wir zwar linke – meist
bedeutungslose – Abspaltungen erleben, wie MUT in Bayern, Klimaliste in RLP, und es aber immer noch alte, hartgesottene Freunde gibt, die die Ausrichtung der Partei nicht wahrhaben wollen? Ich denke eben diese Knoten sollten wir aktiv nutzen, dort wo wir Kontakt haben: 1. Aufzeigen, dass die Führung von den Herrschenden ausgebildet wurde (Baerbock: zig Young-Leaders-Programme, u.a. Klaus Schwab, aber auch zig transatlantische Netzwerke wie German Marshall Fund usw.). 2. Deutlich machen, dass z.B. die Einrichtung eines privaten Grünen „Wirtschaftsrats“ dazu führt, dass nun Vertreter von Industrie und Wirtschaft ihre Interessen selber in die Grünen Forderungen reinformulieren können… 3. Beispiele, wie das von SIEMENS-Kaeser bekannt machen, um deutlich zu machen, dass die Grünen die Interessen von Teilen des Monopolkapitals artikulieren.

(Auch hier gibt die neue UZ richtige Hinweise zu den zentralen Widersprüchen: Manfred Sohn: Besorgnis über Zerrüttung Umwelt und Garantie des Privateigentums an Grund und Boden oder Pablo Graubner: Lifestyle-Linke und aggressivster Kurs in der Außenpolitik).

Ich denke, dass wir es hier mit dem klassischen Dilemma zu tun haben, dass wir mit unserer Arbeit den sozialen Träger dieser falschen Orientierung gewinnen müssen: Also an die Basis ran – deren Motivation bei einem Teil ihre eigene, gute soziale Lage ist, bei einem anderen Teil aber eine ehrliche, inhaltliche Motivation. Diese ist natürlich, wie auch bei einer SPD-Mitgliedschaft, historisch und aktuell-politisch schwierig zu rechtfertigen. Was heißt das nun für unsere Agitation?

1. Richtig ist: Wer Grüne wählt, wählt Krieg. Richtig ist aber auch: Teilweise wollen Grünen-Wähler sowas nicht. Angesichts der erschlagenden Programmatik der Grünen in der Außenpolitik können wir hier nicht zuschauen… Wir müssen klare Kante zeigen, aber eben wie wir das sonst auch machen mit dem Widerspruch zwischen dem Inhalt der grünen Politik und ihrem sozialen Träger – So wurden zB von den Ostermärschen die dieses Jahr in Südbayern stattfanden die Hälfte von den Grünen mitorganisiert. Es ist jetzt unsere Aufgabe in die aktive Diskussion zu gehen und die Freunde mit den Inhalten ihrer Parteiführung zu konfrontieren, denn niemand ist so sehr NATO-Falke wie die!

2. Grüne Regierungspolitik aufzeigen: z.B. grüne Umweltpolitik in den Landesregierungen usw. Hier müssen wir durchbrechen, dass die Grünen es geschafft haben nicht als Regierungspartei wahrgenommen zu werden… Hier sollten wir beachten welche Bedeutung die U30-Wähler:innengruppe für die Grüne Partei hat. Sie spielt gerade zu damit, dass Hartz IV mit der SPD verbunden wird und der Angriff auf Jugoslawien im allgemeinen Kriegstaumel untergeht (wenn selbst Linkspartei-Bartsch kürzlich U-Boote für Israel fordert, dann fallen die Grünen ja kaum mehr auf…)

3. Vor allem aber sollten wir den zentralen programmatische Unterschied zu einer konflikt-orientierten, also klassenbasierten Politik aufzeigen und ihre neoliberale Programmatik diskutieren (wie ja auch mit SPD-Mitgliedern in der Gewerkschaft und leider auch schon mit großen Teilen der Linken, die für BGE stehen usw.)

Diese drei Ansatzpunkte sollen nicht dem Abarbeiten an den Grünen dienen, sondern die größten Missverständnisse aufzeigen, denn die Berichterstattung bietet so viel Raum dafür: Wer hört, dass die Grünen gegen das 2-Prozent-Ziel sind, weiß oft nicht, dass sie mehr wollen. Wer liest, dass die Grünen für ein massives Investitionsprogramm für Wohnungsbau sind, weiß nicht, dass sie das aber nicht in öffentlicher Hand wollen und den Privaten auch noch alle Steuern erlassen wollen usw. usf. Stellen wir diese Aspekte in den Vordergrund unserer Agitation, so öffnen wir damit die Tür um über Alternativen zur profitorientierten Marktwirtschaft (auch unter dem Deckmantel liberaler Post-
Kapitalismus-Diskurse von wegen „sozial-ökologischer Marktwirtschaft“) zu sprechen. Ich denke, dass wir damit auch die Tür öffnen, um über unsere Vorschläge für eine Wende hin zu demokratischem, sozialem und ökologischem Fortschritt zu sprechen, wie wir sie auf dem Parteitag beschlossen haben.

Denn darum geht’s ja bei unserem Antritt zu den Bundestagswahlen: Dagegen halten und aufzeigen,
dass die realen Probleme im Kapitalismus nicht gelöst werden können. Und dazu dienen die Grünen als sehr gutes Beispiel!