Solidarisch aus Corona

SDAJ und DKP Siegen gemeinsam auf der Kundgebung "Solidarisch aus Corona"Quelle: Thomas BrennerAm Montag, den 17.01.22 nahmen wir, gemeinsam mit der SDAJ Siegen und anderen Bündnispartner*innen, an der Kundgebung “Solidarisch aus Corona” teil. Veranstalter war das Antifaschistische Aktionsbündnis “Siegen gegen Rechts”. Anlässlich der Pandemie”bekämpfungs”maßnahmen sowie den in den letzten Wochen, häufig von rechten Menschenfängern unterwanderten oder gar (mitorganisierten) Protesten sah man sich als Bündnis entschlossen solidarischen Gegenprotest zu orrganisieren. Solidarisch zeigte man sich in einigen Redebeiträgen mit den Opfern von Pandemie und sowie staatlich-pandemiebedingen Einschränkungen.

Folgend unser Redebeitrag auf der Kundgebung unter dem Titel “Ungeimpfte sind nicht der Gegner” – es gilt das gesprochene Wort:

“Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Pandemiesituation und erst recht die Politik der Herrschenden im Zusammenhang mit der Pandemie wühlen auf. Kontrovers wird über die Frage der Impfpflicht diskutiert. Ich denke, dass es richtig ist, das Impfen zu empfehlen. Ich halte es aber auch für legitim, dass Menschen eine individuelle Risikoabschätzung für sich vornehmen. Deshalb lehne ich eine Impfpflicht ab. Ich sage auch: Genauso wichtig ist der Punkt, dass unter unseren Bedingungen eine Impfpflicht vor allem die Weiterführung des Konjunkturprogramms für BioNTech wäre. Denn die Nichtzulassung der russischen, chinesischen und kubanischen Impfstoffe hat mit medizinischen Gründen genau so wenig zu tun, wie die Nichtfreigabe der Impfpatente.

Es gibt keinerlei Anlass, die Corona-Pandemie auf die leichte Schulter zu nehmen. Für mich persönlich ist es ein völlig ausreichendes Argument, dass meine Genossinnen und Genossen in Kuba, Vietnam, Laos und in der Volksrepublik China die Bedrohung ernst nehmen. Es gibt für mich keinen Grund, ihre Position, ihr Fachwissen, ihren Standpunkt anzuzweifeln, der eben nicht mit der Profitgier des Imperialismus begründet ist. Deshalb achte ich darauf, mich und meine Mitmenschen zu schützen. Deshalb halte ich mich an Hygiene- und Abstandsregeln und trage, wenn nötig Maske, obwohl mir das als Brillenträgerin sehr schwerfällt.

 

Zentrale Eckpunkte einer wirksamen Strategie gegen die Pandemie sind aus meiner Sicht Kontaktminimierung und Hygiene, häufige Massentests und das Impfen. Die Frage des Impfstoffs ist nicht unwichtig und es braucht für die Menschen Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Überzeugung. All das ist in unserem Land wenig gegeben. Von den 5 bei uns zugelassenen Impfstoffen werden 2: AstraZeneca und Johnson & Johnson, nachdem sie anfangs hochgejubelt wurden, kaum mehr benutzt. Eine zweifache Impfung mit BioNTech, bei der anfangs suggeriert wurde, dass sie zu einer kompletten Immunisierung führe, gibt heute nur noch einen Impfschutz von 3 bis 6 Monaten – auch wegen des Auftretens der neuen Omikron Mutation. Nach einer dritten Impfung wird heute bereits über die vierte oder gar eine regelmäßige Auffrischung diskutiert.

 Die Menschheit wäre sehr viel weiter, wenn sowohl die Pandemie als auch die Entwicklung von Impfstoffen von Anfang an als gemeinsame Aufgabe angegangen worden wäre. Wenn also die Forscherinnen und Forscher aus China, aus Kuba, aus Europa, aus den USA, aus Afrika an einem Strang gezogen und ihre Ressourcen geteilt hätten. Nicht wie in der EU und den USA, um Patente zu entwickeln, sondern um Impfstoffe zu entwickeln. Die Aufforderung aus Kuba und China war da. Aber der Imperialismus, der gerne in anderen Ländern interveniert, macht sein eigenes Ding. Es darf sicher auch spekuliert werden, ob die weitgehende Fokussierung auf die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen der Versuch war, sich im internationalen Konkurrenzkampf einen Vorteil zu verschaffen. Zumindest wurde damit in Kauf genommen, dass diese Impfstoffe im weltweiten Kampf gegen die Pandemie für ärmere Länder und solche in wärmeren Regionen aufgrund der logistischen Anforderungen schwerer zu verwenden sind. Zwei Entwicklungsländer, Kuba und die Volksrepublik China demonstrieren, dass es auch anders geht. Beide schickten von Anfang an medizinisches Personal in die Welt, beide äußerten von Anfang an: „Impfstoff muss menschliches Kulturgut sein.“ 

Davon sind wir derzeit weit entfernt. So ist für Menschen mit nicht weißer Hautfarbe das Risiko an Corona zu sterben um bis zu 3-mal höher als für hellhäutige Menschen.

Quelle: Thomas Brenner  Am 15. September 2020 gab BioNTech die Förderzusage von bis zu 375 Millionen Euro im Rahmen des Sonderprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Beschleunigung der Entwicklung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 bekannt. Das sind 375 Millionen Euro aus Steuergeldern, die wir alle mitfinanziert haben. Heute berichtet die Siegener Zeitung über den aktuellen Bericht der internationalen Nothilfeorganisation oxfam mit dem deutschen Titel „Gewaltige Ungleichheit“. Der Originaltitel heißt übrigens „Inequality kills“ also Ungleichheit tötet. Danach hat es BioNTech Chef Ugur Sahin mit einem Vermögen von 11,5 Milliarden € im Jahr 2021 auf Platz 161 der globalen Reichenliste geschafft. Das ist Kapitalismus pur: Erst Steuergelder in Millionenhöhe kassieren und anschließend mit dem daraus entwickelten Impfstoff zu Lasten unserer Krankenkassenbeiträge zum Milliardär aufsteigen. Den Impfpatenten sei Dank. Damit steht Herr Sahin übrigens nicht alleine da. Das Gesamtvermögen der 2.755 Milliardärinnen und Milliardäre weltweit ist innerhalb des Jahres 2021 von 7,6 auf 12 Billionen, also 12 000 Milliarden € gestiegen. Das ist mehr als in den 14 Jahren davor. Zurecht erklärte Manuel Schmitt, Referent für soziale Ungleichheit bei oxfam Deutschland: „Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch.“

Dem gegenüber haben schon vor der Pandemie 3,2 Milliarden Menschen, das sind 40 % der Bevölkerung, weltweit in Armut gelebt. Diese Zahl hat sich in 2021 um weitere 160 Millionen Menschen erhöht. Auch hier bei uns in der Bundesrepublik hat die Armutsquote mittlerweile 16 %, das sind 13 Millionen Menschen, erreicht.

 Dass diese Situation die Menschen verunsichert, wundert nicht. Dazu kommt, die Pandemie wird benutzt, um die Lasten der kapitalistischen Krise auf die Menschen abzuwälzen und demokratische Rechte abzubauen. Letzteres ergänzt um Militarisierung. Soldaten in Uniform unterstützen die seit Jahren kaputtgesparten Gesundheitsämter bei ihrer Arbeit. Selbst wenn man es richtig finden würde, dass die Bundeswehr hilft, warum denn in Uniform? Das wäre unnötig, wenn es nicht gleichzeitig darum ginge, dass wir uns an den Anblick von Soldaten in Uniform gewöhnen sollen.

 Die Bezeichnung der vierten Welle oder des jetzigen Stands der Pandemie als eine „Pandemie der Ungeimpften“ ist gefährliche Propaganda. Denn erstens wissen wir, dass auch Geimpfte das Virus übertragen können, und zweitens ist es der Versuch, für das Versagen in der Pandemiebekämpfung einen Sündenbock zu finden. Was wir erleben, ist Versagen, und die Ursache des Versagens ist letztlich die Ausrichtung der Politik an den Interessen des Monopolkapitals. Es versagen nicht die Ungeimpften, sondern die Herrschenden – und deren Versagen hat System.

 Die Menschen erleben diese ganze Situation als Chaos. Sie erleben, dass Einschränkungen nicht nachvollziehbar und transparent sind. Warum braucht es jetzt plötzlich eine kürzere Quarantäne als vor zwei Wochen? Warum sind die Ungeimpften die Schuldigen, wenn doch auch Geimpfte Virus-Überträger sein können? Warum komme ich nicht mehr aus meinem Dorf, wenn es dort keine Teststelle gibt, ich aber ohne Test den Bus nicht benutzen darf?

 Diese ganze Pandemiepolitik, die den Profit Weniger über die Gesundheit aller stellt, hat eine ungeheure Polarisierung zur Folge – die ist gewollt, oder wird zumindest billigend in Kauf genommen.

 Menschen gehen vermehrt auf die Straße. Sie neigen dazu, den ersten zu folgen, die ihnen eine Möglichkeit bieten, ihren Protest zu artikulieren und die sie ernst nehmen oder ihnen vorgaukeln, sie ernst zu nehmen.

 Es wäre eigentlich die Aufgabe der Arbeiterbewegung und ihrer Gewerkschaften, führend diese Widersprüche aufzugreifen und die Widerspruchsverarbeitung in eine fortschrittliche Richtung zu lenken. Das findet leider, wenn überhaupt, dann nur in Ansätzen statt. So kritisierte ver.di Vorstandsmitglied Sylvia Bühler, zuständig für den Bereich Gesundheitswesen, am 10.12.21 in einem Interview mit dem rbb die Pläne der Regierung, eine einrichtungsbezogene Impfpflicht zu erlassen. Die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen seien bereits jetzt besonders belastet – physisch wie psychisch. Zugleich seien versprochene Entlastungen bislang kaum bei ihnen angekommen. Sie sagte: “Seit Jahren fährt man auf Verschleiß und nutzt die Empathie der Beschäftigten aus. Es ist in der Tat nicht auszuschließen, dass Menschen, die sagen, gut ich hab jetzt jahrelang gehofft, es verbessert sich was – und stattdessen werden wir jetzt wieder in besondere Verantwortung genommen. Deswegen ist es vielleicht für einige der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt und sie verlassen diesen wunderbaren Beruf.”

Deshalb müssten unbedingt andere Lösungen gefunden werden, sagte Bühler. Wichtig wäre, stärker aufzuklären, da sei noch Luft nach oben.

 Wie gehen wir jetzt um, mit den Corona-Spaziergängern und Impfgegnern? Es ist falsch, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Gesamtheit als Rechte, als Esoteriker oder als irrational zu verorten. Aber wir stellen auch fest, die Rechten haben Einfluss, auch hier in Siegen. Die AfD meldet die Demonstrationen an, der III. Weg spaziert gut sichtbar mit. Wir müssen versuchen, die Menschen abzubringen von falschen, irrationalen Erklärungsansätzen. Wir müssen die Widersprüche im System aufzeigen, ohne uns in eine Reihe zu stellen, mit den Vertreterinnen und Vertretern der vorigen und jetzigen Regierungsparteien. Stattdessen müssen wir deutlich machen, dass die Politik im Interesse der herrschenden Klasse ursächlich ist für die Situation.

Uns ist klar:

  • Nicht die Ungeimpften sind unsere Gegner, sondern diejenigen, die das Gesundheitswesen privatisieren und kaputtsparen
  • Nicht die Ungeimpften sind unsere Gegner, sondern die, die aus der kapitalistischen Krise und der Pandemie Profite schlagen, die das menschliche Vorstellungsvermögen kaum erfassen kann: Die Pharmakonzerne, die Internetgiganten, die Logistiker, die Discounter

Deshalb bleibt es für uns bei dem Motto des heutigen Abends: Solidarisch aus Corona.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit”

 

 

Bildquellen

  • SDAJ und DKP Siegen gemeinsam auf der Kundgebung: Thomas Brenner
  • IMG_0246: Thomas Brenner